Enttäuschung - oder das Ende einer Täuschung

Wir sind in unserer Gesellschaft permanent mit den Erwartungen und Meinungen konfrontiert, die andere an uns haben. Oft wird Toleranz zwar gepredigt, aber nicht aktiv gelebt. Werden die Erwartungen dann nicht erfüllt, folgt eine tiefe Enttäuschung. Doch wer ist verantwortlich für dieses Gefühl? Und was genau bedeutet eigentlich Enttäuschung?

 

Meint sie nicht das Ende einer Täuschung? Sollten wir sie dann vielleicht viel mehr schätzen als sie abzulehnen?

Immerhin macht sie uns bewusst, dass wir einer Illusion oder einem selbst gemachten Bild hinter her gelaufen sind. Wie also gehen wir mit diesen Enttäuschungen um?

 

 

Der heutige Mensch (im Allgemeinen) ist so weit von seiner Natur entfernt, dass er eigene Regeln und Zuordnungsraster erschaffen hat, in denen er sich zurecht findet. Wir suchen die Perfektion im Essen (eine gerade Zuchini ist ansprecheneder als eine krumme), in unserem Lifestyle, in unserem Selbstbild, unserem Beziehungsleben, Partnerwahl und im Sozialen- und Familienleben. Dies ist sehr häufig der Grund für große Frustration. Die Erwartungen, die man an seinen Partner, seine Familie oder auch seinen Schamanen hat, werden enttäuscht und man neigt dann schnell dazu, diesen Frust auf das jeweilige Objekt der Enttäuschung zu projezieren.

In manchen Fällen ist das auch sicher angebracht.

Wichtig ist aber die Frage, was genau uns enttäuscht?

Ist es die Handlung des anderen, die uns in irgendeiner Weise verletzt hat oder ist es unsere Erwartung dessen, was wir uns von dem anderen erhofft (erwartet) haben?

 

Dazu fällt mir eine schöne Geschichte ein.

 

während einer meiner schamanischen Ausbildungen gab es einmal eine Mitschülerin von mir, die ein sehr kontrolliertes und gesundes Leben führte. Sie predigte gern und wann immer es möglich war die Dogmen und Richtlinen, an die sie glaubte. Was man als spiritueler Mensch essen sollte, welche Kleidung man tragen darf und was richtig und was falsch ist, etc.

 

Eines Tages verließ sie die Gruppe mit der Begründung, dass sie nicht von einem Medizinmann lernen könne, der morgens Kaffee und Abends auch mal einen Wein trinkt, der Fleisch isst und raucht. Es würde für sie gegen alle Prinzipien eines spirituellen Lebens verstoßen und sie zweifle an seiner spirituellen Führung, die einen derartigen Lebensstil rechtfertigen würde. Sie würde nun nach Amerika gehen und die „echten“ Medizinmänner suchen. Mein damaliger Lehrer verabschiedete sie herzlich mit einem Lächeln.

 

Die Schülerin flog nach Amerika zu den Indianern und wollte von ihnen lernen. Sie fand dort auch Medizinmänner, jedoch waren diese häufig noch aktive Alkoholiker oder bereits Trocken. Einige von ihnen hatten sogar im Gefängnis gesessen und Kaffee, Fleisch und Taback wurden ebenso konsumiert.

Die Enttäuschung war groß und diesmal sogar so offensichtlich, um der Schülerin eines klar zu machen. Sie hatte permanent nach einer Bestätigung für ihr eigenes enthaltsames Leben gesucht. Sie hatte geglaubt, sie wäre nur dann eine spirituelle Seele, wenn sie sich an bestimmte Regeln hält. Tatsächlich aber hatte sie ihre Dogmen vor ihre Freiheit gestellt. Da sie auf ihrem Weg nur Lehrer fand, die ihre Dogmen nicht bestätigten, fühlte sie sich ungesehen und frustriert. Die Toleranz anderen gegenüber war ebenso klein wie die Toleranz sich selbst gegenüber.

 

Die Schülerin konnte durch diese Enttäuschungen begreifen, was für ein System sie sich aufgebaut hatte und sich von ihren Erwartungen lösen.

 

Sie erkannte, dass sie ihr Leben für sich so gestalten könne, wie sie es möchte. Es wurde für sie deutlich, dass sie für sich selbst und nicht für andere entscheidet. Diese Erkenntnis löste eine gewaltige Blockade und somit durfte sie tatsächlich von den Indianern lernen.

Diese Geschichte kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich höre, wie einige Menschen über Ernährung, Umwelt und Lebensweisen diskutieren.

 

Die Entscheidungen über die Lebensführung und Partnerwahl etc.  liegen immer bei einem Selbst.

 

 

Das Selbst eines anderen zu tolerieren ist ebenso wichtig wie die Erkenntnis, dass unsere Enttäuschungen ein Ende einer Täuschung bedeutet und wir sie stehts hinterfragen sollten.

 

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